Sonntag, 6. Juni 2010

Segel setzen

Schiffe zerbrechen im Sturm, Seemänner im Hafen.


Nie zuvor ist mir aufgefallen, daß mein Zuhause so still ist. Das Erwachen ist ungewohnt, fast erschreckend - Platz neben mir, keine Bordwand, an die man sich noch ein letztes Mal kuscheln kann, kein Knarren der Planken, kein fernes Gelächter und keine Schritte auf dem Deck über meinem Kopf. Ich stehe auf, ohne mich hastig anzuziehen, damit ich den Jockel anwerfen kann, und stehe nicht nach vier Schritten schon in der Messe, wo ich begrüßt werde und mir der Smut eine Tasse Kaffee in die Hand drückt.
Keine gut gelaunte Eile, um an Deck zu kommen, weil das Wetter jeden Morgen wieder neu eine Überraschung bereithält, keine endlose Weite um mich herum. Das Schwanken ist an Land schlimmer als auf See, wir alle taumelten und schwankten gestern, als wir gemeinsam noch bei unserem alten Captain zum essen eingeladen waren.
Es fehlt, wie jedesmal.
Kein Wind in den Haaren, kein Mensch, mit dem sich reden lassen würde, keine Arbeit, die auf mich wartet - in diesen Momenten des Ankommens daheim scheint es, als wäre meine alltägliche Welt ein Konstrukt unwichtiger, nebensächlicher Prioritäten, die mich einsperren statt mich zu tragen.
Es hilft nichts. Zwei Tage bis zum Referat in Pädagogik, ich muss auch heute schon eigentlich wieder für die Uni arbeiten. Doch diese Leere und Stille in mir bohrt und frisst.

Es ist gut, daß die 36 blauen Flecke, die deutlich vermehrte Kraft in den Armen mich noch einige Zeit an diese Woche auf See erinnern werden, auch wenn sie durchaus auch Schatten enthielt - gemeinsam mit seinem Exfreund 7 Tage auf engstem Raum birgt einfach zu viel Konfliktpotential. Auch das habe ich noch zu verarbeiten.
Und dann war da noch gestern der Schaffner zwischen HH und KI, der jede Ansage mit "Moin Moin" begann, die aussteigenden Fahrgäste mit einem herzlichen "Tschüß!" verabschiedete und uns bat, über die Verspätung doch bitte nicht "böse zu sein".
Ich glaube, ich muss an die Förde.

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